
Die Feiergesellschaft hat sich auf der Wiese vor dem kleinen Bungalow verteilt. Schon vor dem Essen sind einige der Gäste sichtbar alkoholisiert. Es sind vor allem Männer, die sich Halt suchend irgendwo abstützen – am Zaun, am Gewächshaus, an ihren Frauen. Auf einem in die Wiese eingelassenen Quadrat aus Steinplatten steht der Grill, auf dem Kathrins Mann Bratwürste und Steaks mit eleganten Drehungen seines Handgelenks wendet. Ich zucke kurz zusammen, als ich sehe, wie er mit der Fleischzange meinen Grillkäse umdreht und ihn dicht an eine brutzelnde Wurst legt. Meine Mutter sitzt auf einer Bank neben dem Grill, zusammen mit einem rotnäsigen älteren Herren, der ihr alle paar Sekunden die Hand aufs Knie legt.
Jemand stößt mir ziemlich unsanft in die Seite.
„Mensch, hallo Nico“, sagt eine Frau, deren Gesicht ich einem Namen zuordnen können müsste. Aber er will mir nicht einfallen.
„Nina, Kathrins Nichte“, sagt Nina und lacht übertrieben laut.
Das Glas Sekt in ihrer Hand ist nicht ihr erstes an diesem Abend. Ich erinnere mich an Nina in einem tülligen Abiballkleid, wie sie in eine Hecke neben der Stadthalle kotzt. In der Schule haben wir so gut wie nie ein Wort miteinander gewechselt.
„Ach hallo Nina, wie geht’s?“
„Mal ein Abend ohne die Kinder, da geht’s mir gut“, antwortet sie und nimmt einen Schluck aus ihrem Glas.
„Oh wow, wie viele hast du denn?“
„Drei. Zwei, fünf und sieben Jahre alt.“
„Wow.“
Mehr fällt mir nicht ein. Ich habe immer Schwierigkeiten, mich für Babys und Kinder so zu begeistern, wie es gesellschaftlich erwartet wird. Nina scheint auf weitere Fragen zu ihren Kindern zu hoffen, eine begeistertere Reaktion. Aber ich bin zu müde. Sie leert ihr Glas.
„Deine Mutter hat mir erzählt, dass du deinen Job verloren hast“, sagt sie.
Ihr mitleidiger Augenaufschlag wirkt gespielt. Ist das die Rache für mein Desinteresse an ihren Kindern?
„Ja“, sage ich. „War eh ein Scheißladen. Wenn ich eine Frau wäre, würde ich jetzt einfach schwanger werden“.
Es sollte ein Witz sein. Nina findet ihn nicht lustig. Sie blickt mich sehr ernst an, richtet sich gerade auf, in ihrem Gesicht ein erhabener Ausdruck, die Augen halb geschlossen.
„Weißt du, Nico, diese Rolle der Dienenden, die man als Mutter hat, das ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Das wünsche ich dir auch mal irgendwann.“
„Das mit dem Muttersein wird schwierig, so als Mann“, antworte ich.
Mein Tonfall ist ätzender als beabsichtigt. Doch Nina hört mir gar nicht mehr zu. Sie guckt sehr betrunken in die Ferne.
„Willst du hinter den Bungalow gehen und rummachen?“, fragt sie plötzlich. Und eine Sekunde später: „Ach nee, du bist ja schwul.“
Sie beugt sich nach unten zur Handtasche vor ihren Füßen und kramt eine Schachtel Zigaretten heraus. Kurz befürchte ich, dass sie vornüberkippt.
„Fuck, kein Feuerzeug“ murmelt sie und geht, die Handtasche unter den Arm geklemmt und ohne ein weiteres Wort zu mir, in Richtung eines Grüppchens rauchender Partygäste neben dem Gewächshaus.
Kathrins Mann ruft mich. Mein Grillkäse ist fertig.